Norddeutsche HiFi-Tage 2023

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Man sagt, in Hamburg gäbe es kein Wetter, sondern mehr oder weniger dollen Nieselregen bei unterschiedlichen Temperaturen. In Hamburg wird das Wohlbefinden dadurch gelegentlich so beeinflusst, dass man sich schlicht nicht willkommen fühlt. Davon konnte man am Wochenende 18. + 19. Februar Kenntnis erlangen, noch bevor man die Norddeutschen HiFi-Tage 2023 an neuem, schönen Ort und in tollen Räumlichkeiten erreicht hatte. Die Tropfengröße nahm mit zunehmenden Wind und steigender Temperatur ab und die Szenerie wurde von einer hinter Wolken verdeckten Sonne ausgeleuchtet.

Doch zuvor bekam man bei der Anfahrt einen Mann mittleren Alters, der, nicht in einem Auto sitzend, die Parade der Park-willigen mit stoischer Haltung abnahm. Der vor dem Golf-Hotel Treudelberg befindliche Parkraum war längst gefüllt, der Mann mit seiner Security-Jacke behielt sein Wissen über eine Zufahrt zu einer nahen Parkplatzwiese konsequent für sich, die Karawane zog weiter und fand einen Zugang über eine Baustelle und einen matschigen Weg. Die Autos sahen dann eher nach Open-Air-Festival als nach einer High End Veranstaltung aus.

Reges Treiben | Foto: Martin Boettcher

Der schale Auftakt ist aber mit dem Moment vergessen, in dem man die Eingangshalle des Hotels betritt. Offene, helle Räume von HiFi-Durstigen, Veranstaltern und aufmerksamen Hotelangestellten bevölkert, nehmen uns Gäste auf. Die Orientierung fällt anfangs in den verzweigten, weitläufigen Gängen nicht leicht, aber mit den Plänen in der Messebroschüre übt sich das sehr schnell.

Das Programm der einzelnen Veranstalter ist umfangreich, dazu kommen natürlich die Workshops mit Matthias Böde, der jeweils als Gast bei einem der Aussteller auftritt. 11:00 Uhr, Raum Treudelberg 1 bei PHONOSOPHIE soll es um das Thema Stromversorgung gehen. Für mich ist es tatsächlich der erste Workshop bei Herrn Böde, für Herrn Böde ist es der erste Workshop bei Phonosophie.

Workshop mit Matthias Böde bei PHONOSOPHIE | Bild: Martin Boettcher

Matthias Böde schafft kurz Aufklärung über die Standards der Stromversorgung und benennt die Stellen, bei der man frühzeitig den Klang seiner Stereoanlage ruinieren kann. Die anständige Stromversorgung ist von Anfang an ein Grundpfeiler der Geräteentwicklung und der Klangoptimierung im Hause PHONOSOPHIE. Da der Haussicherungskasten des Hotels nicht zur Verfügung stand und man sich auch keine neu installierten Steckdosen vorstellen konnte, beließen Herr Böde und Herr Hansen es bei der letzten Meile: Steckdosenleisten, Netzkabel und Gerätesicherungen. Baumarktleiste, mitgeliefertes Gerätekabel und Standard-Sicherung taten was sie gut können: sie verursachten grausigen Sound. Zur Verdeutlichung des Elends geht Herr Böde nach einem Schritt in Richtung „Besser“ gerne einen Schritt zurück. Das sitzt.

PHONOSOPHIE führte auf dieser Messe mit der neuen, hauseigenen Fein-Silber-Sicherung vor, die es in zwei Versionen gibt (ohne und mit Aktivator-Technik). Da es nur eine sehr kurze Abstimmung zwischen dem Aussteller und Herrn Böde vor den Workshops gab, war die Dimension der Klangsteigerung bei den Sicherungen vorab unbekannt. Über die deutliche Verbesserung zwischen der bisherigen Fein-Silber-Sicherung von PHONOSOPHIE und der „normalen“ Neuen war Herr Böde während der Vorführung ziemlich erstaunt. Insbesondere die wahrgenommene Öffnung des Raumes war faszinierend.

Sein Fazit zum Thema Stromversorgung ist: Achten Sie auf durchgängig hohe Qualität der Stromversorgung. Aller Schrott der vorne irgendwo reinkommt, kommt hinten verstärkt wieder raus. (www.phonosophie.de | Sicherungen: € 70,-, Aktivator-Version: € 140,-)

Thorens, Transrotor und andere Plattenspielerhersteller haben eigentlich das Material vor Ort richtig etwas zu Gehör zu bringen, sie belassen es aber nur bei „tonlosen“ Show-Regalen voller sich drehender Spieler. Das ist enttäuschend, offenbar verlässt man sich nur auf den guten Ruf der Marken.

WBT Winkelstecker | Foto: Martin Boettcher

WBT hat keine Geräte, die sie den Messebesuchern zu Gehör bringen könnten, dafür weltweit bekannte Steckverbinder. Ich war erstaunt, bei wie vielen Geräten auf der Messe ich WBT-Produkte auf der Geräterückseite entdecken konnte. Seit einiger Zeit steht die Veröffentlichung des WBT-0120 (neuer Cinchstecker mit Schrägwinkel) an. Im Grunde war bereits alles fertig und das Produkt für gut befunden, aber dann gab es Probleme mit dünneren Kabeln. Da diese nicht optimal im Stecker zu fixieren waren (für Laien: Sie rutschten gelegentlich einfach raus), hat man sich den Teil des Steckers nochmal vorgenommen. Die Lösung aus Mantelstücken und einer Kabelaufnahme, die entfernt an die Gardena-Schlauchfixierung erinnert, stellte sich als perfekt dar. Der Stecker kommt nun zur HIGH END München auf den Markt. (www.wbt.de)

Bei SUPRA CABLES konnte man die personifizierte Geduld erleben. Am durchgängig gut belagerten Tisch vor der Produktwand wurde ein ums andere Mal die praxisorientierte Produktentwicklung der Schweden am Beispiel der Steckdosenleiste erklärt. Gerade bei der Leiste wird die Entwicklung anhand einer wirklichen Fragestellung deutlich, denn ich habe auf der Messe keine andere Steckdosenleiste gesehen, die ein wechselbares Netzkabel mit unterschiedlichen Längen anbietet. Zweimal Nachdenken, dreimal messen und dann die richtige Länge bestellen, das verhindert Kabelsalat und noch viel schlimmer – Verlängerungskabel. Wie ernst es SUPRA CABLES mit der Sicherheit nimmt, zeigt sich durch eine integrierte Kindersicherung und beim Überspannungsschutz. Sollte der unerwartete Fall eintreten und der Schutz auslösen, kann man die Leiste ohne Einschränkungen weiterbenutzen. Alternativ kann man sie auch einschicken und erhält eine Leiste mit neuem Überspannungsschutz. (www.jenving.com oder www.geko-hifi.de)

Beim zweiten Workshop mit Herrn Böde wurden Digitalkabel unterschiedlicher Qualität gehört und verglichen. Herr Böde leitete mit der Erkenntnis ein, dass man es sich eigentlich nicht vorstellen kann, dass es bei Kabeln für digitale Signale Unterschiede geben kann, werden im Grunde doch nur Nullen und Einsen übertragen. Da diese Informationen nach der Übertragung in eine Welle umgewandelt werden, gelten jedoch für die Digitalkabel dieselben Einflüsse wie bei jedem anderen „analogen“ Kabel auch.

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bFly Audio

Um bei diesem Test die Übersicht zu behalten, wurden ausschließlich Digital-Koaxialkabel des Herstellers audioquest gegeneinander getestet: „Forest“, „Cinnamon“, „Carbon“, „Coffee“, „Diamond“, „Wild Digital“, „WEL Signature“, wobei „Coffee“ und „Wild Digital“ übersprungen wurden. Das HiFi-System, das für den Test zur Verfügung gestellt wurde, war eine mbl Noble-Line mit Radiallautsprechern (ca. 106.000 Euro), die sowohl als Anlage als auch als Teststation über jeden Zweifel erhaben ist. Matthias Böde brachte die Kabel nicht nach dem einen-Schritt-vor-und-einen-Schritt-zurück-damit-man-es-wirklich-hört-wie-grausig-es-vorher-klang-Methode, sondern es ging sauber hintereinander weg vom Einsteigerkabel zur Referenzklasse.

Zwischenspiel: Zwei junge Herren in „dynamischer“ Kleidung und quirligem, lautem Gestus taten ihren Unmut kund, als von einer Laufrichtungsgebundenheit die Rede war. Genau zu diesem Zeitpunkt hatte Herr Böde, nach Anregung durch einen Zuhörer, das Kabel umgedreht einstecken lassen und während alle dem knarzigen und engen Sound lauschten, konnte man die zwei jungen Herrn aus dem Raum drängeln sehen. Das mit der Laufrichtung hatten wir jetzt alle verstanden. Dann startete Herr Böde beim Kabelvergleich die Rückwärtsrunde und es brauchte nicht das einfachste Kabel bis alle die Ohren mit „Klangbrei“ voll hatten. Es gilt wie bei der Stromversorgung: Ein Fehltritt versaut die ganze Linie! (www.audioquest.com/de)

Im Raum Treudelberg 3 waren die HiFi-Anlagen überwiegend mit den Kabeln von NORDOST bestückt. Leider war es wie so oft in den Räumen mit mehreren Ausstellern: Die Stimmung ist distanziert, niemand fühlt sich für irgendetwas oder irgendwen zuständig und es standen viele Schilder herum, dass man nichts anfassen soll. Eindrücklich war, dass keines der Kabel parallel zu einem anderen lag, was ja Einstreuungen und störende Fehler ermöglichen würde. Zu sehen gab es dafür einen tüchtigen Kabelsalat hinter den Gerätschaften. (www.nordost.com oder www.audio-reference.de)

Ich lasse mich auf einer Messe gerne von Situationen leiten, die mir etwas versprechen und einen Grund geben, in den Hörraum eines mir unbekannten Ausstellers zu gehen. Eine Gruppe sehr gut gelaunter und mit ihrem Sprachwitz sich überbietender, lauter Männer zog mich an. Im Raum eine Anlage mit sattem Klang, einem luftgelagerten Tangential-Plattenspieler und Lautsprechern in einer wohnraumkompatiblen Größe wurden vorgestellt. Leider dröhnte der Sprachlärm von vor der Tür in den Raum und als einer der Jungs nach kurzer Zeit den Raum betrat, um mit dem Aussteller ein lautes Kumpel-Gespräch zu führen, wurde mir klar: Viel Party im Kopf und bedauerlicherweise wenig Sinn für hochwertige und ungestörte Musikwiedergabe!

Sehr schön und überraschend anders war es bei Manger Audio. Wie anders es in einem Hörraum ist, wenn eine Frau das Management hat: Es fing damit an, dass der Raum gut gelüftet war und die Musik für mich die „richtige“ Lautstärke hatte. Mich beschlich das Gefühl, dass alle im Raum sich sehr wohlfühlten und der Umgang der Zuhörer untereinander war betont höflich. Und vielleicht hatte das mit der exquisiten Arbeit der Lautsprecher zu tun. Ich, als Nicht-Hifi-Nerd, hatte von der nahezu analytischen Darstellung von Instrumenten gehört und konnte mir jetzt im besten Wortsinn ein Bild davon machen. Der Eindruck ging über das Akustische hinaus, hin zu einem inneren Film. Die menschlichen Stimmen wirkten neben den Instrumenten bei den von mir gehörten Stücken flacher als gewohnt. Woran das liegt, werde ich bei der nächsten Gelegenheit ergründen. (www.mangeraudio.com/de)

Cito-Audio | Bild: Martin Boettcher

Mein Besuch bei Cito-Audio brachte mir zwei Erkenntnisse:

1. das wohlige Gefühl, das man beim Musikhören damals in der ersten Wohngemeinschaft hatte, als man „so richtig“ frei war, die besten Kumpels da und alle Sorgen fern, und alle Gefühle mindestens groß waren, lässt sich mit Lautsprechern von Cito-Audio in High End wiederherstellen.

2. Es gibt glücklicherweise HiFi-Aussteller wie Cito-Audio, die verleihen ihre Geräte zum einwöchigen Probehören. Dazu gehört Selbstbewusstsein und Mut. Mein Respekt! (www.cito-audio.de)

Ascendo Audio | Bild: Martin Boettcher

Ich bin mir sicher, das der Raum, den Ascendo nicht superb beschallt bekommt, nicht in unseren Dimensionen zu finden ist. Das aktive System Z5 erschien etwas zu groß für den Raum mit Dachschräge, doch die Abbildung der Musik rechtfertigte alles. Der Klang war von der Eingangstür bis links direkt neben dem Lautsprecher toll. So toll, dass ich mich wieder Phantasien von einer möglichen Auflösung eines Rentenvorsorgekontos hingab. Mit einer Ascendo hast du jeden Tag deinen Zins im Ohr. Schade war allerdings, dass es diesmal keinen Plattenspieler und abgerockte Rockmusikplatten gab, beim nächsten Mal bitte wieder mitbringen! (www.ascendo.de)

Neues Album „STILL A FOOL“ von Wolfgang Bernreuther | Bild: Martin Boettcher

Der Bluesmusiker Wolfgang Bernreuther, ein sehr enthusiastischer Freund der Phonosophie Aktivatortechnik an Instrumenten, Mikrofonen und Kabeln, stellte sein kommendes Album „STILL A FOOL“ (Veröffentlichung Anfang März) mit Solo-Auftritten vor und begleitete seine eigene Musik von CD mit der E-Gitarre. Anrührend schön und eigentlich spektakulär waren die Auftritte, bei denen er zusammen mit dem Cellisten Götz Kelling-Urban einige Stücke der neuen Platte improvisierte. Auch hier begleiteten beide Musiker ein Stück, das von der CD gespielt wurde. Was live war und was Reproduktion, vermochten wohl nur die wenigsten zu erkennen. (www.wolfgang-bernreuther.de und für Götz Kelling-Urban: www.highend-bremen.de) (Für das Label: www.clearaudio.de)

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