Edelkopfhörer Lautsänger Explorer – HiFi-Test

Lesedauer: ca. 10 Minuten

Mit einem wirklich guten Kopfhörer kann man Musik nicht nur ungestört auf höchstem Niveau genießen, man kann damit auch in andere musikalische Dimensionen vordringen, abheben und sich vom immersiven Klangerlebnis überwältigen und forttragen lassen, kurzum: alles um sich herum vergessen und ins eigene Ich reisen.

Diesen berauschenden Effekt erlebte der Autor mit dem außergewöhnlichen Kopfhörer von Lautsänger gleich mehrfach. Der Explorer, so der treffende Name des 1.790 Euro-Probanden, ist das weltweit erste Headphone, das nach dem Idiom der chladnischen Klangfiguren modifiziert wurde. Ob das der Grund für seinen einzigartigen Sound ist?

Headphone Explorer Lautsänger

Chladnische Klangfiguren

Haben Sie schon mal von chladnischen Klangfiguren gehört? Mir waren die Schwingungstheorien in etwa so bekannt wie Erforschung der Primzahl, nämlich gar nicht. Als hifi-today Herausgeber Karl Belkner mir am Telefon von einem ungewöhnlichen Kopfhörerkonzept namens Lautsänger berichtete, wurde ich zwar neugierig, aber auch skeptisch.

Ich hatte zunächst den Eindruck, dass ich an „irgendein esoterisches Thema“ geraten sei. Mit Esoterik hab ich’s nämlich nicht so. Tja, und dann setzte ich mir den Explorer vor meinem ersten Telefonat mit dem Hersteller kurz mal auf die Ohren, woraufhin mir nur noch drei Worte durch den Kopf schossen: Muss. Ich. Haben. Aber starten wir ganz vorne bei der Schwingungstheorie, sonst wird die Geschichte um den Lautsänger nicht vollständig klar.

Chladnische Klangfiguren
Chladnische Klangfiguren | Bild: Lautsänger

Muster im Sand

Laut Wikipedia sind chladnischen Klangfiguren „Muster, die auf einer mit Sand bestreuten dünnen Platte (…) entstehen, wenn diese in Schwingungen versetzt wird (…) dieses geschieht, indem die Platte an einer Kante mit einem Geigenbogen bestrichen oder einer schwingenden Stimmgabel berührt wird. Infolge von Eigenresonanzen beginnt die Platte mit einer ihrer Moden zu schwingen.“

Die Lehre, die sich an der Schwelle von Technik zu Kunst(handwerk) befindet, beschäftigt sich, kurz gesagt, mit den Phänomenen von Klängen und Wellen und strebt dabei ein möglichst natürliches und lebendiges Klangideal an – das erklärte Ziel von Lautsänger. Das erfuhr ich in mehreren ausführlichen Telefonaten mit Geschäftsführer Harald Hobelsberger, der sich, nebenbei bemerkt, als ebenso freundlicher wie geradliniger und sachkundiger Gesprächspartner erwies.

Chladnische Klangfigur
Chladnische Klangfigur aus der Nähe | Bild: Lautsänger

Natürliches Klangideal

Die chladnischen Schwingungstheorien gehen zurück auf Ernst Florens Friedrich Chladni, einen deutschen Physiker und Astronomen und Zeitgenossen Napoleons. Dessen Beobachtungen entwickelte der Schweizer Naturforscher Hans Jenny in den 1960er-Jahren zu einem umfangreichen Forschungsgebiet weiter, zur Kymatik.

Die Kymatik erfordert für ein wirklich aussagekräftiges Ergebnis jahrelange Material- und Formkenntnisse. Allein die Frage, ob man nun Sand oder Holzspäne zum Schwingen bringt, ist eine Wissenschaft für sich, wie ich bei der Beschäftigung mit dem Thema erfuhr. Bei der Kymatik geht es im Kern immer um die wissenschaftliche Erforschung von Klangphänomen, trotz der vielen „Lernstufen“, die man durchlaufen muss.

Hat man das Thema dann irgendwann mal „im Griff“, geht man in Folge aber sehr gezielt vor. Die beschriebene Vorgehensweise erinnert insgesamt mehr an den Instrumentenbau als an die Entwicklung klassischer HiFi-Technik. Und in der Tat: Auch international renommierte Instrumentenbauer wie Steingraeber & Söhne in Bayreuth stimmen die Böden ihrer Klaviere und Pianos nach dem chladnischen Idiom ab.

Lautsänger schreibt dazu folgerichtig auf ihrer Website (https://www.lautsaenger.com/):

„Der Lautsänger ist (…) keine weitere Verbesserung bisheriger Lautsprechertechnik. Es handelt sich vielmehr um eine handwerkliche Modifikation zur Erreichung einer musikalischen Qualität, wie sie beispielsweise von klassischen Instrumenten bekannt ist.“ Webseite Lautsänger

Lautsaenger Exporer Set
Lautsänger Explorer mit Aufbewahrungsbox und Kabel-/Adaptertasche | Bild: KB

Odenwälder Handwerkstradition

Aber verlassen wir Bayreuth gleich wieder und reisen stattdessen nach Hirschhorn am Neckar, wo die noch junge Manufaktur Lautsänger sitzt. Das Team, das dort seit rund anderthalb Jahren zusammenarbeitet, besteht aus Wissenschaftlern, Künstlern und Handwerksmeistern, die sich alle der Kymatik verschrieben haben. Der Standort im Odenwald liegt ideal, denn in der Nähe befindet sich nicht nur die Universitätsstadt Heidelberg, sondern auch das ehemalige Zentrum der deutschen Elfenbeinschnitzer-Kunst: Erbach.

Die jahrhundertealte Schnitzer-Tradition dort bringt eine Vielzahl an qualifizierten Menschen mit sich, die heutzutage beispielsweise Holz auf höchstem Niveau bearbeiten, restaurieren und designen können. Da sich gerade junge Menschen für Musik interessieren, bietet ihnen ein Job bei Lautsänger erste Gelegenheit, ihre handwerklichen Ambitionen mit der Liebe zur Tonkunst zu vereinen. Und genau darum geht es bei Lautsänger!

High-End aus Rumänien

Um nach Jahren der Forschung schlussendlich ein Audio-Produkt nach den Grundsätzen der Kymatik zu entwickeln, suchte Hobelsberger „einen guten Einstieg“. Den fand er nach zahlreichen Experimenten mit Lautsprechern und Subwoofern mit einem Kopfhörer von Meze Audio. Der Meze 99 Classics (UVP: 309 Euro) ist die technische Basis für den Lautsänger Explorer. Schaut man sich auf der Meze Audio-Website (https://mezeaudio.eu/) um, dann fällt schnell auf, dass der geschlossene Hörer eine beeindruckend große Zahl an internationalen Testauszeichnungen vorweisen kann.

Diese waren aber nicht der Grund, warum Ingenieur Hobelsberger sich für den 99 Classics entschieden hat. Neben der hochwertigen Optik und den wunderschönen Ohrmuscheln aus Walnuss-Echtholz waren es vielmehr nachhaltige und pragmatische Gründe, die für den Kopfhörer aus Rumänien sprachen, denn Meze-Hörer lassen sich komplett zerlegen! Da ist endlich mal nichts geklebt, wie bei anderen Herstellern, sodass umfangreiche Modifikationsmaßnahmen nicht gleich zur Beschädigung führen.

Was die technischen Details angeht, verweise ich an dieser Stelle auf die sehr informative Meze Audio-Internetpräsenz, denn ich möchte unbedingt Platz sparen für eine ausführliche Klangbeschreibung. Daher hier schnell noch der Hinweis, dass Lautsänger den Meze-Hörer elektrisch nicht verändert hat. Nullkommanull. Was dafür hinzugefügt wurde, sind zwei im Umfeld der Treiber montierte kymatische Formelemente, die über eine lange Versuchsreihe ermittelt wurden.

Sie stellen nach Angaben von Lautsänger eine große handwerkliche Herausforderung dar, denn die Formelemente werden im Laufe der langen Versuchsreihe zunehmend kleiner und somit immer filigraner. Mehr wollten die freundlichen Hessen allerdings nicht verraten, und den teuren Kopfhörer auseinanderzunehmen, habe ich nicht gewagt.

Werbung:

efuse High-End-Sicherung
Der Explorer wird mit einer edlen Verpackung mit silberfarbenen Firmenemblem ausgeliefert
Der Explorer wird mit einer edlen Verpackung mit silberfarbenen Firmenemblem ausgeliefert | Bild: KB

Hohe Langzeittauglichkeit

Der Autor dieser Zeilen ist Brillenträger mit großem Kopf! Heißt: ein anspruchsvoller Zeitgenosse, wenn es um den guten Sitz und die Langzeittauglichkeit von Kopfhörern geht. Und in dieser Hinsicht war der Lautsänger Explorer einfach nur ein Gedicht. Selbst Hörsitzungen von vier Stunden ließen bei mir nie das Gefühl aufkommen, dass der Explorer irgendwo zwickt oder zwackt oder gar zu schwer ist. Dieser Eindruck ist natürlich hochgradig subjektiv, aber man kann den Explorer vor der endgültigen Inbesitznahme ja auch 14 Tage lang ausprobieren und sich so selbst einen Eindruck verschaffen.

Der Klangeindruck

Musik, egal ob fetter Synthiepop von Human League, cooler Hardbop-Jazz von Art Blakey oder vielschichtiger Alternative-Rock von Radiohead, klang mit dem Explorer überwältigend körperhaft, raumfüllend und lebendig.

Wer’s gerne überprüfen möchte, der sollte sich vielleicht mal den Beginn von Beethovens 7. Symphonie mit dem London Symphony Orchestra unter der Leitung von Antal Doráti anhören – die Unmittelbarkeit und dynamische Wucht der mit nur drei Mikrofonen aufgenommenen Mercury Living Presence Aufnahme (Universal Music) haut einen wirklich aus den Latschen. Insbesondere die tiefen Streicher und die massiven Einsätze der Blechbläser klangen ungemein präsent und überhaupt nicht nach Konserve, sondern einfach nur realistisch.

Einen ähnlichen Aha-Effekt erzielte bei mir auch eine nagelneue Digital-Produktion: „The Vivaldi Album“ mit dem französischen Gitarrenvirtuosen Thibault Cauvin und dem Orchestre de chambre de Paris unter Julien Masmondet (Sony Classical). Schon der Beginn der Scheibe, der dynamische erste Satz des schwungvollen Mandolinenkonzerts RV425, schien in meinem Ohr förmlich zu explodieren: So präsent, so greifbar, so hier und da klang das kleine französische Barockorchester, als hätte man es unmittelbar neben meinem Trommelfell platziert.

Dabei lotete der Explorer den Aufnahmeraum in geradezu wunderbarer Weise aus: Das kaum vernehmbare Eigenrauschen der Saalakustik wurde ebenso erfahrbar wie dessen intime Größe. Wer auf räumliche Wiedergabe steht, der sollte sich übrigens den dritten Satz des erwähnten Vivaldi-Konzerts anhören: Er beginnt mit einem gezupften Streicher-Unisono, das den Solisten umspielt – ein Traum an stereofoner Wiedergabe und ein Klangraum, in den ich total abtauchen konnte.

The Vivaldi Album
The Vivaldi Album

Klingt der Explorer also perfekt? Nein, das tut er nicht! Er übertreibt es im Bass sogar etwas, und seine Mitten tönen leicht zurückgenommen. Dennoch ließ er mich in die Seele einer Aufnahme tief hinein hören, und wenn sich ein Musikstück als akustisch unvorteilhaft erweist, dann war das erfreulicherweise überhaupt kein Problem: Der Lautsänger ist nämlich das genaue Gegenteil einer High-End-Klangmimose, die nur dann zu großer musikalischer Form aufläuft, wenn die gesamte Signalkette ultrahochwertig und ultrateuer ist.

Datenreduzierte Formate waren deshalb auch kein wirkliches Thema für den Lautsänger! Im Gegenteil: Noch nie hat der Autor die Standard-iTunes-Auflösung besser gehört, selbst wenn er den Explorer direkt an sein MacBook anschloss und dabei den kleinen, aber feinen D/A-Wandler/Kopfhörer-Verstärker HIP-DAC von iFi Audio umging. Eigentlich ein Sakrileg, das auf die Dauer immer mit nervigem Klang bestraft wird.

Nicht so beim Explorer. Und diese Eigenschaft kann ich gar nicht hoch genug schätzen, denn als musikverrückter Mensch, der sich gerne querbeet durch die Musikgeschichte hört, ist das Riesenangebot von iTunes für mich natürlich eine Riesensache – bisher allerdings mit dem Makel versehen, dass AAC-Soundfiles (in 256 kpbs) eben nicht riesig klingen. Mit dem Lautsänger änderte sich das: Ich war stets zufrieden und bei mir selbst.

Vergleich mit dem Original

Der abschließende Vergleich mit dem originalen, sprich: dem nicht modifizierten Meze 99 Classics, den mir Lautsänger auf Anfrage netterweise zur Verfügung stellte, zeigte mir den Unterschied zwischen einem „Instrument“ und einer „Wiedergabemaschine“: Der Standard-Hörer klang zwar tonal identisch (er ist ja auch elektrisch identisch) und beileibe nicht schlecht, erwies sich aber gerade im Dauerbetrieb als klarer Verlierer, insbesondere wenn ein Musikstück sich dynamisch stark steigerte, dann tönte der „Normalo“ viel mechanischer und angestrengter.

Anders formuliert: Der Serien-Meze reproduzierte zwar dieselben Töne, nicht aber denselben Klang. Beim Explorer hatte ich immer das Gefühl, dass man sich bei ihm entspannt in die Musik fallen lassen kann. Einfach ALLES wirkte farbiger, stimmiger, lebendiger, schwere- und müheloser. Das mag angesichts des enormen Preisunterschieds nicht überraschen. Überraschend war nur, wie sehr der Unterschied bei längeren Hörsitzungen ins Gewicht fiel.

Fazit

Nach der eingehenden Beschäftigung mit dem Lautsänger-Kopfhörer sind es drei Dinge, die ich hier gerne festhalten möchte:

Erstens, man sollte immer für neue Ansätze offenbleiben. Mögen diese zunächst auch noch so ungewöhnlich erscheinen – am Ende des Tages gibt es genau ein „Messinstrument“, das uns unmissverständlich klarmacht, ob ein Produkt etwas taugt oder nicht: unsere Ohren! Und meine haben beim Explorer wirklich Augen gemacht, um hier auf eine nette, alte Audio-Werbung anzuspielen.

Zweitens sollte man den eigentlichen Wert von Audio-Geräten nie nur am Materialeinsatz messen. In dieser Hinsicht stellt der Explorer sogar eine ziemliche Herausforderung dar, denn der Aufpreis gegenüber dem Standard-Meze-Hörer ist saftig. Dahinter steht allerdings ein einzigartiger technischer Ansatz, der auf jahrelanger Grundlagenforschung beruht sowie ein Know-how, über das eben nur ganz wenige Firmen verfügen. Im HiFi-Segment ist das aktuell wohl nur Lautsänger. Hinzu kommt ein hoher Einsatz an handwerklicher Arbeit, was eben immer seinen Preis hat.

Last but not least zeigt sich die wahre Klasse eines Produkts immer an dessen Langzeitqualitäten! Und hier ist Lautsänger mit dem Explorer ein großer Wurf gelungen. Der außergewöhnliche Kopfhörer bietet höchsten Tragekomfort, ist pieksauber verarbeitet und kann bis in die letzte Schraube zerlegt und gewartet werden.

Obendrein klingt er dank der Modifikation mit den Kymatik-Formelementen immer angenehm, immer körperhaft und immer lebendig – selbst bei zweitklassigem Ausgangsmaterial. Lautsänger beschert uns mit dem Explorer eine neue akustische Erfahrung – eine, die dem Eintauchen in ein Konzerterlebnis beeindruckend nahekommt.

Hersteller/Vertrieb

Lautsänger UG (haftungsbeschränkt)
Brentano Str. 23
69434 Hirschhorn
Tel. +49 6272 55 999 05
www.lautsaenger.com

Nach oben scrollen
Cookie Consent mit Real Cookie Banner