Wenn HiFi-Zubehör zu Voodoo mutiert …

Lesedauer: ca. 6 Minuten

Voodoo-MaskeWer kennt das nicht: In diversen Internetforen werden über klangsteigerndes Audiozubehör regelrechte Hetzkampanien geführt. Viele dieser „Diskussionsrunden“ erinnern an eine moderne Form der Inquisition, in der es nicht um einen fachlichen Wissensaustausch, sondern vielmehr um die Denunzierung der Audio-Tools oder gar des Fragenden geht.

Da ist von Voodoo die Rede. Von HiFi-Zubehör, das angeblich keine Wirkung zeigt und nach Meinung einiger Forenteilnehmer nur zur monetären Bereicherung von Verkäufer und Hersteller dient.

Doch ist das wirklich so? Oder liegt es möglicherweise daran, dass es mit Ausnahme des Fragenden den Forenteilnehmern es gar nicht um eine fachliche Wahrheitsfindung geht?

Geht es gar einigen darum, durch das Lächerlichmachen der Diskussion im realen Leben unterdrückte Macht- oder Wutgefühle ausleben zu können? Oder kann es sein, dass das physikalische Wissensdefizit der Diskussionsteilnehmer eine sachliche Auseinandersetzung verhindert?

Lassen Sie uns mal davon ausgehen, dass alle Beteiligten wirklich um eine Klärung einer typischen Frage wie beispielsweise „… kann das Kabel XY für XXX Euro eine Klangverbesserung gegenüber einer Beipackstrippe bringen?“ bemüht sind. Wie stehen die Chancen auf eine befriedigende Antwort?

Leider stehen die Chancen meistens schlecht, denn es gilt etliche Missverständnisse, Vorurteile und Wissensdefizite bei einem Großteil der Forenteilnehmer zu überwinden. Es lassen sich folgende Problemstellungen regelmäßig beobachten:

Ausschließlicher Glaube an Messwerte

Der theoretisch vernünftige Ansatz, dass physikalische Wirkungen auch messbar sein müssen, will bei der Beurteilung von Klangverbesserungen nicht wirklich funktionieren. Es ist zwar möglich klangliche Teilaspekte (z. B. Frequenzgang) zu messen, aber eine aussagekräftige Beurteilung von Klang ist damit nicht möglich. Schon allein deshalb, weil Unsicherheiten bei der Beurteilung von Messwerten existieren.

Nehmen Sie beispielsweise den Klirrfaktor. Lange Zeit was das einer der wichtigsten Qualitätsmaßstäbe bei HiFi-Geräten. Je niedriger, umso besser war bzw. ist die Devise. Doch ist ein extrem kleiner Klirrfaktor wirklich klanglich besser? Nur zur Erinnerung: Superb klingende Röhrenverstärker haben meist einen hohen Klirrfaktor!

So ist es auch normal, dass zwei Audiokabel mit gleichen Messwerten (Widerstand, Kapazität, etc.) völlig unterschiedliche Auswirkungen auf das Klangbild haben können. Oder Lautsprecher, die mit ungleichmäßigem Frequenzgang durchaus besser klingen können als Schallwandler mit nahezu linearen Frequenzgang. Dennoch gibt es viele (Fach-)Leute, die sich nur auf Messwerte verlassen und nicht auf das eigene Gehör. Und das, obwohl das menschliche Gehör ein viel sensibleres „Messinstrument“ darstellt.

Was subjektiv nicht erklärbar ist, kann nicht sein

Bei vielen Phänomenen im Bereich der Audiotechnik reicht das im Physikunterricht übermittelte Wissen zum Verständnis der komplexen Vorgänge nicht aus. Es ist neuzeitliches Spezialwissen (z. B. aus der Quantenphysik) notwendig, um die Zusammenhänge erkennen und deuten zu können. Doch dieses Spezialwissen fehlt i.d.R. selbst vielen einschlägigen Audioprofis, die ihre unvollständigen Kenntnisse als wichtiges oder gar alleiniges Beurteilungsraster verwenden. Das Video über das Doppelspalt-Experiment zeigt auf anschauliche Weise, wie wir mit unserem konventionellen Weltbild oftmals scheitern müssen. Dennoch lassen sich die im Video gezeigten physikalisch Effekte nicht leugnen.

Fehlende wissenschaftliche Bewertung

HiFi-Zubehör wird oft nach dem „Trial and Error Verfahren“ (Versuch und Irrtum) entwickelt. Das bedeutet, der Entwickler verlässt sich auf das Gehörte und hat dann bei einem positiven Ergebnis bezüglich der Wirkung oft ein Erklärungsproblem. Untersuchungen bei renommierten  Instituten, die das physikalische Wirkprinzip erklären könnten,  werden in der Regel aus wirtschaftlichen Gründen nicht gemacht.

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Keine genormte Bewertung des Gehörten

Im Idealfall wird das HiFi-Zubehör mittels eines A/B-Hörvergleichs auf seine Wirksamkeit gestestet. Worauf achten Sie bei einem A/B-Vergleich? Ist es die Dynamik, das Timing, die räumliche Bühnendarstellung, die Attacke, die tonale Darstellung der Höhen, Mitten und der Bässe? Oder haben Sie andere Bewertungsgrößen? Wie gewichten Sie die Kategorien?
Jeder setzt andere Prioritäten. Das führt dazu, das die qualitative Güte einer Musikproduktion bei gleichen Hörbedingungen von verschiedenen Personen oftmals unterschiedlich bewertet wird.

Schlechte Hörbedingungen

Wenn die Audiokomponenten nicht miteinander harmonieren, der Hörraum schlechte akustische Eigenschaften aufweist und die Lautsprecher ungünstig aufgestellt sind, können häufig keine Unterschiede zwischen verschiedenen Audio-Tuning-Artikeln gehört werden. Selbst dann nicht, wenn es sich um hochwertige Komponenten handelt. Die Gefahr ist dann sehr groß, dass die Ursache für die ausbleibende Klangverbesserung allein dem Testobjekt zugeschrieben wird.

Teuer = Betrug?

Tuningzubehör ist oftmals teuer. Schnell entsteht bei dem Einen oder Anderen der Verdacht, dass es weniger um das Produkt, als um den Profit des Herstellers geht. Besonders dann, wenn der Artikel eine starke optische Ähnlichkeit zu konventionellen Massenartikeln aufweist. Mit dem Verdacht auf Profitgier vorbelastet, lassen sich ungleich schwerer objektive A/B-Hörvergleiche durchführen.

Ungeeignete Musikaufnahmen

Die STEREO Hörtest CD Volume VIII
Audiophile Aufnahmen der Zeitschrift STEREO

Für einen Hörtest sollte auf Mainstream-Musik aus dem Standard-Tonstudio verzichtet werden. Eine Bewertung der räumlichen Bühnendarstellung ist so nicht möglich, da die Schallinformationen der Stimmen und Instrumente aus einem stark bedämpften Raum mit künstlichen Effekten (wie beispielsweise Hall) versetzt werden. Das Ergebnis gibt dann mehr oder weniger die geschmacklichen Vorlieben des Tontechnikers sowie die Güte des elektronischen Aufbereitungsequipments wieder. Reflexionen des Aufnahmeraums bzw. realistische Rauminformationen, die auf echten Laufzeitunterschieden der Schallquellen basieren, gibt es nicht. Für Testzwecke sollten grundsätzlich audiophile Musikreproduktionen verwendet werden. Die Fachzeitschrift STEREO bietet beispielsweise hervorragende Aufnahmen für Testzwecken an. Eine kleine Auswahl hochwertiger Aufnahmen finden Sie übrigens auch unter unserer Rubrik Audiophile CD & Vinyl & Co..

Physische Verfassung

Wir Menschen unterliegen physischen Schwankungen, sind nicht immer gleich gut drauf. Auch unsere Konzentration ist nicht immer gleich. Ein Hören zu unterschiedlichen Tageszeiten und Stimmungszuständen wird unweigerlich zu verschiedenen Ergebnissen führen. Auch gibt es Unterschiede zum Hören bei veränderten Lichtverhältnissen. Das Hören bei gedämpften Licht führt normalerweise zu einem intensiveren Hörerlebnis.

Kein geschultes Gehör

Wer noch nie die 3-D-Raumdarstellung einer hochwertigen Stereoanlage hören konnte, tut sich mir der Beurteilung der Bühnendarstellung schwer. Wie wir das meinen? Lesen Sie hier: Die Stereo-Bühne. Doch gerade die Dimension der Stereobühne ist ein wichtiges Qualitätmerkmal einer Audioanlage samt Hörraum und Zubehör.

Das Resümee

Sehr häufig wird qualitativ hochwertiges Audio-Zubehör völlig zu Unrecht zum wertlosen Voodoo-Artikel abgewertet. Wie Sie jetzt wissen, gibt es dafür eine Vielzahl von Gründen. Vielleicht hilft dieser Artikel ein wenig, die Qualität und das Niveau von Forenbeiträgen und Diskussionen zum Thema Hifi-Zubehör zu erhöhen.

Gewiss, es gibt auch in der HiFi-Branche gelegentlich schwarze Schafe. Das gibt aber niemanden das Recht zu einer schnellen Vorverurteilung. Schon gar nicht ohne ausgiebige Hörvergleiche. Doch auch dann, wenn das Testobjekt anscheinend keine klangliche Veränderung bewirkt, muss das nicht an minderwertiger Qualität des Testobjektes liegen. Denn bei einer perfekt abgestimmten Audiokette hört man in der Regel immer Unterschiede.


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Leserbrief 25.02.2019 von Peter Jahn, Schweiz

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