Plattenspielermatten: Fast-Tuning für LP-Hörer – HiFi-Thema

Lesedauer: ca. 7 Minuten

Schneller, breiter, tiefer. So lautete früher das Credo ölverschmierter Auto-Schrauber. Aus und vorbei: In Zeiten von Chip-Tuning lässt sich die Performance eines Motors durch ein bisschen „Rumgeschraube” längst nicht mehr verbessern. Wie gut, dass es Plattenspieler gibt!

Millenium audio vision M-VC Plate

Plattendreher sind vor allem mechanische Wesen. Will heißen: Jeder Eingriff, jeder winzige Dreh, jede noch so subtile Maßnahme schlägt klanglich durch. Und das macht Laune! In einer automatisierten Welt, in der uns vieles aus der Hand genommen wird, gibt einem das „Hobby Plattenspieler“ Autonomie zurück.

Pimp my Turntable!

Plattenspielermatten stellen einen sehr komfortablen Weg dar, Vinyl-Dreher klanglich (und optisch) zu „pimpen“. Ihr Job ist es, „den Teller in Ruhe zu versetzen“, wie es Ulf Münstermann von PhonoPhono (https://www.phonophono.de/) treffend zusammenfasst. HiFi-Matten unterscheiden sich damit klar von DJ-Rutschmatten (Slipmats).

Übrigens: Das Statement des Berliner Analog-Spezialisten klingt simpler als es ist, denn eine effektive Auflage muss über drei Eigenschaften verfügen, die nur schwer in Einklang zu bringen sind:

  • Sie muss die Schallplatte von Vibrationen entkoppeln, die über den Plattenteller in die Platte eindringen (Motor, Lagergeräusche, Umgebungsschall).
  • Sie muss Resonanzen absorbieren, die durch den mechanischen Abtastvorgang im Vinyl selbst entstehen.
  • Sie muss sie die Rotation des Tellers möglichst direkt und ohne Schlupf auf die Platte übertragen.

Die Auswahl an Materialien ist dementsprechend groß, versuchen wir deshalb etwas Ordnung ins Thema zu bekommen und schauen uns einige der populärsten Werkstoffe wie Gummi, Filz, Kork, Leder und Acryl der Reihe nach an.

Dereneville Magic Mat mit Silikonoberfläche
Dereneville Magic Mat: Hochfestes Glasfasergewebe mit beidseitiger Silikonbeschichtung
Bild: bFly/Dereneville/dienadel.de

Gummi

Im „Goldenen HiFi-Zeitalter“ der Sechziger- bis Achtzigerjahre waren Matten aus Gummi der Standard. Ein bekanntes Beispiel dafür sind noch heute die weichen Auflagen für alle Technics SL-1200/1210-Plattenspieler. Andere findet man kaum noch.

Über die Vor- und Nachteile des Materials gehen die Meinungen gerne auseinander: Gummi bietet eine hohe Griffigkeit und Haltbarkeit, zudem berichten viele Hörer von einem warmen Klangbild. Nicht wenige Audiophile sind dagegen der Meinung, dass Gummi die Schallplattenwiedergabe dynamisch bremst. Ein unumstrittener Vorteil des Materials ist: Man kann es leicht sauber halten. Die Theorie besagt übrigens, dass dicker Gummi eine geringe Leitfähigkeit hat, wodurch die statische Elektrizität auf der Plattenoberfläche zurückbleibt, was wiederum das hörbare Rauschen verstärkt.

Vorteile: gute Vibrationsdämpfung, ausgezeichnete Griffigkeit und Haltbarkeit, einfach zu reinigen, günstig

Nachteile: verstärkt Rauschen ein wenig

Hersteller: Technics, Xinntox, Oyaide, Pathe Wings

Millennium audio vision-M Filzmatte im Detail
Millennium audio vision-M Filzmatte im Detail | Bild: KB

Filz

Viele moderne Plattenspieler (Rega, Pro-Ject) werden standardmäßig mit dünnen Filzmatten ausgeliefert. Diese sind meist auch separat erhältlich und immer dann erste Wahl, wenn aus konstruktiven Gründen nur wenig Dämpfung gewünscht ist, wie bei den puristischen „Brett“-Spielern von Rega beispielsweise. Diese können, nebenbei bemerkt, sehr gut funktionieren – am besten hart angekoppelt auf einer soliden Wandhalterung und etwas schallgeschützt positioniert.

Filzauflagen sind in einer Vielzahl von modischen Farben erhältlich, was vielleicht die bessere Hälfte begeistert. Darüber hinaus erlaubt Filz aufgrund geringer Reibung das Abnehmen der Platte vom drehenden Teller – und sorgt so für kleine DJ-Momente! Filz-Unterlagen werden allerdings auch kritisiert, weil sie Fusseln und Staub viel eher anziehen als steifere Materialien.

Vorteile: weiche Oberfläche, erzeugt geringe Reibung, in vielen Farbvarianten erhältlich, günstig

Nachteile: zieht Staub an, dünne Exemplare bleiben mitunter an Schallplatten „kleben“

Hersteller: Rega, Pro-Ject, Dynavox, Xinntox, Audio Technica, Thorens, Origin Live, Millenium Audio, Clearaudio, Analogis Mat

Millenium audio vision M-Corkmat | Bild: KB

Kork

Kork ist nicht nur eine schalldämpfende und trittelastische Auslegeware für Fußböden; Kork eignet sich auch gut als Auflagematerial für Plattenspieler. Insbesondere für Metallteller älterer Dreher wird Kork gerne als guter Tipp gehandelt. Außerdem sind die meisten Korkmatten (wie etwa die von Pro-Ject) erschwinglich und verrutschen nicht. In puncto Klang sollen sie gerade Bässen mehr Klarheit und Struktur verleihen.

Vorteile: haftet nicht an Platten, sorgt für ausgezeichnete Griffigkeit und Haltbarkeit und fokussierten Klang

Nachteile: kann die Schallplattenwiedergabe übermäßig isolieren

Werbung:

audioquest Logo

Hersteller: bFly, Pro-Ject, Xinntox, Music Hall, Simply Analog Design, Millennium Audio, Pathe Wings

Kork-Kautschuk-Matte P1 von bFly-audio
Kork-Naturkautschuk-Matte P1 von bFly-audio; erhältlich in 1mm oder 3mm Stärke;
Bild: bFly-audio

Leder

Leder ist ein weiteres schönes Upgrade, das vor allem ästhetisch sehr ansprechend ist. Es dämpft nicht allzu stark und einige audiophile Menschen behaupten, bei diesem Material eine subtile Anhebung der Basswiedergabe hören zu können. Ähnlich wie bei Kork können sich Anbieter mit Leder kreativ wunderbar austoben: Das Material ist in einer Vielzahl von Ausführungen und Stilen erhältlich. Leder verleiht jedem Vinyl-Deck definitiv einen Hauch von Klasse. Obendrein ist es nur wenig empfänglich für statische Aufladung und daher auch eine interessante Alternative für dünne Filzmatten..

Vorteile: einzigartiger Klangcharakter, attraktive Ästhetik, kaum statische Aufladung, langlebig

Nachteile: wenig Dämpfung und verhältnismäßig teuer

Hersteller: Sonicvoice, Pro-Ject, Audio Anatomy, Thorens, Clearaudio, Acoustic Solid, Analogis Mat

Millenium audio vison M-VC
Millenium audio vison M-VC, Material: 3 mm starkes Vinyl | Bild: KB

Acryl

Acryl wird von vielen als eine der besten Optionen angesehen, da das Material dem Vinyl gleicht. Wenn Sie also eine Schallplatte direkt auf eine Acryl-Oberfläche legen, dann wird diese mit der Unterlage quasi “gekoppelt”. Und das soll vor allem auch störenden Mikroresonanzen, wie sie bei der Abtastung entstehen, entgegenwirken, insbesondere, wenn Pressungen schwindsüchtig dünn sind wie am Ende der Analogära. Acryl-Auflagen haben dementsprechend einen guten Ruf, speziell was ihre Tiefbasswiedergabe und räumliche Abbildung angeht. Allerdings muss man für sie meist tiefer in die Tasche fassen.

Vorteile: ausgezeichneter Plattenkontakt und Klang, lädt sich statisch kaum auf, gut zu reinigen

Nachteile: Oft teuer, harte Oberfläche kann für Kratzer sorgen

Hersteller für Acryl/Vinyl: Black Forrest Audio, Clearaudio, Analogis Mat, Millenium Audio

Carbon-/Samt-Matte mit Stahl-/Carbon-Auflagegewicht in Filmrolle von AUDIO REFERENCE
Carbon-/Samt-Matte mit Stahl-/Carbon-Auflagegewicht in optisch ansprechender Filmrolle von AUDIO REFERENCE | Bild: KB

Fazit

Plattenspielermatten sind ein hochinteressantes Thema. Es macht total Spaß, mit ihnen herum zu experimentieren. Und das ist kein Hexenwerk: Alte Matte runter, neue drauf, Tonarmhöhe korrigieren, fertig!

Da Plattenspieler bei guter Pflege eigentlich nicht altern, sind Matten insbesondere für Besitzer älterer Dreher (Thorens, Technics, Dual) eine tolle Spielwiese. Denn viele der leichtgewichtigen Metallteller früherer Zeiten „klingeln wie eine Kirchenglocke“, kommentiert Uwe Münstermann von PhonoPhono.

Die eine klangliche Wahrheit gibt es aus unserer Sicht aber nicht! Letztendlich geht es ja immer darum, die Schwächen des eigenen Laufwerks auszugleichen oder tonale Präferenzen zu verstärken.

Grob gesagt wird eine weichere Matte den Klang dunkler, ruhiger und wärmer machen, während eine härtere für einen helleren, unmittelbareren Sound sorgt. Und je leichter ein Metall-Teller ist desto mehr an Dämpfung verträgt er.

Um also die passende Auflage für Ihren Dreher zu finden, sollten Sie eine gute Vorstellung davon haben, wo seine Stärken und Schwächen liegen und welchen Gesamtklang Sie anstreben. Die Traumlösung könnte dann sogar ein „Sandwich“ sein (beispielsweise eine Kork- unter einer Ledermatte). Versierte Fachhändler helfen hier beratend gerne weiter.

Erlaubt ist alles, was gut klingt und Freude bereitet! Sie haben es selbst in der Hand! Auto-Schrauber können von diesen Möglichkeiten nur träumen.

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Unter https://www.hifi-today.de/vinyl-tuning-hifi-test/plattenspielermatten-von-millennium-audio.html haben wir diverse Plattenspielerauflagen von Millenium Audio für Sie getestet.

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