Es gibt Fragen, an denen scheiden sich die Geister: Sind SUV praktische Allrounder oder Möchtegern-Offroader? War David Beckham jemals ein großer Fußballer? Ist Eis im Whisky am Ende doch eine Sünde? Ähnlich gelagerte Diskussionen gibt es im Bereich Plattengewichte und -klemmen zu beobachten: Bringen Stabilizer und Clamps, wie Angelsachsen sie so schön nennen, wirklich etwas oder belasten sie am Ende nur Lagereinheit und Riemen?
Diesen Fragen wollte ich schon lange einmal nachgehen. Um mich mit der Materie eingehender zu beschäftigen, bestellte ich mir kurzerhand den ungewöhnlichen Octopus von bfly-audio zum Test – eine „neuartige universelle Lösung zur Ruhigstellung von Schallplatten wahlweise als Klemme oder Gewicht“.
Nomen est omen
Reinhold Schäffer, der freundliche Inhaber von bfly-audio, ist ein „alter Lateiner“. Daher auch der Name: Octopus. Frei übersetzt bedeutet das „Achtfüßler“. Auf acht Füßen ruht der modulare Octopus zwar nicht, dafür auf acht kleinen, zweilagigen Absorbern, die für die Ruhigstellung der Schallplatte während des Abtastvorgangs sorgen sollen.
Diese Absorber-Halbkugeln aus Buchenholz nehmen laut Schäffer unerwünschte Schwingungen von der Schallplattenoberfläche auf und leiten sie an kleine Gel-Pads weiter, die auf die Oberseite der Holzkugelhälften aufgeklebt sind. Das Gel in den Pads wiederum eliminiert schlussendlich den Großteil störender Vibrationen, so der technische Ansatz von bfly-audio in nuce.
Modulare Konstruktion
Was den „Achtfüßler“ besonders macht, ist sein modulares Konzept: Kunden können neben der eigentlichen Betriebsart – Stabilizer oder Clamp – auch die Form des Knaufes, das Gewicht und die Farbe nahezu frei miteinander kombinieren. Durch den simplen Austausch der Dornaufnahme wird der Octopus dann entweder zu einer Plattenklemme oder einer reinen Beschwerung.
Grundsätzlich gilt: Ist eine Platte wellig, benötigt man Anpressdruck. Um den herzustellen, wird die Clamp durch Drehen des Knaufes am Dorn des Plattenspielers fixiert. Grobmotorisch veranlagte HiFi-Freaks sollen diesen Vorgang schon bei rotierendem Teller versucht haben. Auf der bfly-audio-Website fand ich daher tatsächlich den dringenden Hinweis, selbiges NICHT zu tun!
Verschiedene Gewichtsklassen
Zum Test schickte mir bfly-audio die aktuelle Light-Variante für kleinere Laufwerke. In dieser Gewichtsklasse bringt der Octopus aktuell 230 Gramm auf die Matte. Nimmt man den zylindrischen statt des regulären Knaufs, drücken bereits 300 Gramm auf das Platten-Label. Eine Heavy-Variante mit über 500 Gramm für Massespieler ist ebenfalls in Arbeit, wie mir der bfly-Audio-Inhaber am Telefon verriet.
Schäffer mag’s laut eigener Aussage übrigens gerne etwas schwerer, „wenn‘s das Lager mitmacht“. Auf die eingangs formulierten Bedenken angesprochen nannte er für sauber konstruierte Lager, die ja immer auch ölgeschmiert seien, 1 Kilogramm als Obergrenze. Völlig bedenkenlos sind aus seiner Sicht 500 Gramm. Subchassis-Plattenspieler sollten aber immer sauber aufgestellt sein. Auch dürfe man es bei diesen Federkonstruktionen mit dem Gewicht nicht übertreiben.
Absorber-Konzept
Auf der Jagd nach bestmöglichem Analogklang rückt bfly-audio der überaus komplexen Dreierbeziehung Teller-Platte-Nadel auf die Pelle. Gut so, denn störende Resonanzen entstehen ja bereits durch den Abtastvorgang im Vinyl selbst. Das integrierte Absorber-Konzept des „Achtfüßlers“ soll deshalb sowohl LP-Eigenschwingungen in Angriff nehmen als auch Vibrationen, die vom Antriebsmotor des Plattenspielers ausgehen und dann über den Dorn in die Platte eindringen.
Entkopplung vom Plattenspieler
Schwingungen, die vom Dorn des Plattenspielers herrühren, sollen laut bfly-audio gezielt durch die Dornaufnahme aus resonanzarmen Spezialkunststoff absorbiert werden, ebenso durch einen Zylinder aus Kupfer, der im Knauf des Octopus Light eingesetzt ist. Im Fall der Klemme übernehmen die integrierten Absorber dann auch eine ausgleichende Funktion. Der Grund: Durch Druck kann man die Unebenheiten von LPs zwar ausgleichen, aber nur bis zu einem bestimmten Grad. Und ohne die Absorber könnte es deswegen zu leichtem Flattern kommen.
Komplexer Aufbau
Wenn man den Octopus in den Händen hält, dann fällt neben der Verarbeitungsqualität vor allem eins auf: Der „Achtfüßler“ ist ein aufwendiges mechanisches Wesen, besteht er doch aus insgesamt 20 Einzelteilen. Großen Aufwand betreibt bfly-audio laut eigener Aussage insbesondere für die klangentscheidenden Absorbereinsätze, die dreidimensional exakt vermessen und gematched werden. Damit der Octopus möglichst auch Übermorgen noch was hermacht, überzieht bfly-audio Kupferknauf und -chassis mit einem Speziallack und schützt so beide Bauteile vor Oxidation. Was die Münzprägung für das Logo angeht, können Kunden zwischen einer Silber- und einer Kupfer-patinierten Version wählen.
Der Höreindruck
Für den ausführlichen Hörtest mit dem Octopus Light schnappt sich der Autor das passende „kleinere Laufwerk“, nämlich seinen hauseigenen Technics SL1210 Mk2. Als Tonabnehmer fungierte ein bewährtes MM-System von Audio Technica mit neuer Micro Line-Nadel (AT-VM95ML), montiert auf einer Headshell aus gleichem Hause und unterlegt mit einem Ebenholz-Spacer/Dämpfer von Stanislav Guk (Stanley Engineering).
Von dort aus ging es weiter zum Phono-Pre Rega Fono MM, der spaßeshalber zunächst am Line-Eingang eines großen Einbox-Stereo-Speakers von Marshall hing. Und selbst an dieser zugegebenermaßen etwas ungewöhnlichen, aber durchaus wohlklingenden Kombi waren die klanglichen Zugewinne bereits gut nachvollziehbar. Der spätere Umbau auf eine substanziellere Kette vertiefte die ersten Eindrücke noch, nebenbei bemerkt.
Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Die Klangunterschiede – mit Gewicht und ohne – fallen je nach Pressung und Musikstil mal mehr oder mal weniger deutlich ins Gewicht (sorry für den kleinen Wortwitz). Auch waren die Differenzen nicht ganz so schnell auszumachen wie bei einem Wechsel der Plattentellerauflage (siehe dazu unseren großen Überblicksartikel https://www.hifi-today.de/themen/plattenspielermatten.html).
Bei satten 180 bis 200 Gramm-Pressungen waren die Unterschiede subtiler, bei dünneren Grammaturen, sprich: praktisch allen LPs der Siebziger oder Achtzigerjahre dafür dann umso eindeutiger nachvollziehbar – und zwar immer in Richtung mehr Ruhe, weniger Schärfen, stabilere Raumabbildung und feinere Klangstrukturen.
Sehr gut nachvollziehen ließ sich dieser positive Effekt bei einer der schönsten Aufnahmen des 21. Klavierkonzerts von Mozart, eingespielt mit Friedrich Gulda und den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Claudio Abbado. Leider klingt die Multitrack-Aufnahme in der Originalpressung von 1975 (DG 2530 548) etwas dünn und im Forte leicht scheppernd – trotz des von mir peinlich genau justierten Micro Line-Systems von Audio Technica.
Hier half der Octopus als Zusatzgewicht: Die musikalische Darbietung entspannte sich merklich. Klavieranschläge klangen weniger „glasig“ und der gesamte Orchesterklang wirkte gefasster und besser durchstrukturiert. Der gewonnene Eindruck verstärkte sich im Fall von weilligen Platten, also immer dann, wenn ich den Octopus vom Gewicht zur Klemme umfunktionierte.
Das klangliche Sahnehäubchen
Ausgerechnet das sensationelle Debütalbum des brasilianischen Komponisten, Gitarristen und Dirigenten Arthur Verocai hatte ich einst als ein Reissue mit einem starken Höhenschlag erstanden (Label: Mr Bongo). Sein Erstlingswerk „Arthur Verocai“ von 1972 war früher ein kommerzieller Flop und ist heute Kult und wurde von vielen US-Produzenten, Sängern und Künstlern gesampelt. Kurzum: ein musikalisches Meisterwerk, wenn auch kein akustisches – erst recht nicht, wenn die vorliegende LP-Ausgabe eine unschöne Welle aufweist, die der Wiedergabe einiges an Ruhe und Präzision stiehlt.
Und was brachte die Behandlung mit der bfly-audio-Klemme?
Kennen Sie den Effekt, den beruhigende Augentropfen auf trockene, von der Heizungsluft geplagte Augen machen? So ähnlich erging es meinen Ohren, nachdem ich die Verocai-Scheibe fester auf meinen Technics-Dreher geschraubt hatte. Natürlich landete ich damit nicht gleich im Audio-Nirwana. Aber es war genau das klangliche Sahnehäubchen, das ich ab sofort nicht mehr missen möchte.
Fazit
Werden Plattengewicht oder -klemme aus einem mittelmäßigen Set-up ein gutes machen? Nein, natürlich nicht. Aber der Einsatz lohnt sich trotzdem! Am Ende sind es ja immer die vielen kleinen Bausteine, die Musikliebhaber optimieren müssen, um die Leistung ihres Hi-Fi-Systems stetig zu verbessern. Wahr ist nämlich auch, dass man mehr für sein Geld bekommt, wenn man zuerst die Signalquellen aufrüstet.
Insbesondere Plattenspieler profitieren davon. Wer also aus seiner Analogkette entscheidende Nuancen rauskitzeln möchte, wer darüber hinaus über eine Plattensammlung mit vielen LPs aus dem Zeitraum Mitte 1970er- bis Ende 1980er-Jahre verfügt, der sollte sich mit dem „Achtfüßler“ von bfly-audio dringend beschäftigen. Ich für meinen Teil werde mir heute Abend meine geliebte Arthur Verocai-LP auf den Technics schrauben und dazu einen Whisky on the Rocks genießen. Cheers!
Preise
- Octopus Light (Klemme oder Gewicht) 449 €
- Duet Light (2 Octopus Light für schnellen Wechsel ohne Umbau) 799 € statt 898 €
Hersteller & Vertrieb
bFly Audio
Theodor-Sachs-Straße 60
86199 Augsburg
Web: www.bfly-audio.de
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Tel.: 0821 – 9987797