Der Stein des Weisen
Jeder Raum hat seine eigene Akustik, die sich nur selten mit dem Wunsch nach unverfälschtem Musikgenuss in Einklang bringen lässt. In manchen Fällen sorgen Gardinen, Teppiche oder Bücherregale für Besserung. Und wer selbst rabiate Methoden nicht scheut, stellt sich Plattenabsorber oder einen Helmholtz-Resonator ins Zimmer, um zumindest die Bassresonanzen in den Griff zu bekommen. Einen ganz anderen Weg zur Verbesserung der Raumakustik schlägt die Firma Steinmusic mit ihrem Harmonizer System ein. Wir haben es für Sie getestet – und so viel sei schon verraten: Der Name ist Programm.
Die Wirkungsweise
Wenn Sie glauben, Ihr Hörraum wäre zum Musikhören perfekt, dann regen Sie ihn doch mal mit Sinustönen an. Vor allem im Bassbereich werden Sie so schnell den Frequenzen auf die Schliche kommen, bei denen Raummoden entstehen – stehende Wellen, die sich als unangenehmes Dröhnen Gehör verschaffen. In höheren Lagen verringert sich dieser Effekt zwar schnell bis zur Unhörbarkeit. Dafür bleibt aber das Problem von ungewollten Schallreflexionen an Wänden und Möbeln bestehen. Dieser Raumschall erreicht Ihr Ohr nach dem Direktschall und fügt der Musik zusätzlich zum räumlichen Eindruck, den Ihre Anlage vermittelt, den Raumeindruck Ihres Hörraums hinzu. Zum Glück leistet unser Gehirn hier gute Arbeit und filtert diesen Raumschall weitgehend heraus. Dafür aber muss es arbeiten – obwohl Musikhören doch eigentlich für Entspannung und Harmonie sorgen sollte.
Genau die verspricht das Harmonizer System von Steinmusic zumindest dem Namen nach. Die schwarzen, hochglanzlackierten Kästen (12 x 12 x 8 cm³) in Kombination mit kleinen Tuningelementen (Magic Stones und Magic Diamonds) können zwar weder stehende Wellen noch ungewollte Schallreflexionen verhindern. Laut Hersteller sollen sie aber einen ausgeprägt positiven Einfluss auf die Raumakustik ausüben. Für kleinere Räume bis 28 m² reicht das Basic-Set aus je einem Harmonizer H2a und einem vom Typ H2b. Für größere Räume werden jeweils zwei H2a und H2b empfohlen. Was die Geräte bewirken und wie sie funktionieren, dazu ist ihrem Entwickler Holger Stein, studiertem Physiker und langjährigem Hifi-Tuning-Experten, nicht viel zu entlocken. Er arbeite gerade mit der Universität Duisburg-Essen daran, das Konzept hinter dem Harmonizer System auf wissenschaftlich belastbare Füße zu stellen und möchte bis dahin keine Halbwahrheiten verbreiten.
Die einzigen Informationen zur Wirkungsweise liefert uns somit eine Analogie auf dem Beipackzettel: Um einen schweren Stein ins Rollen zu bringen, benötigt man viel Energie. Doch wenn er erst einmal rollt, lässt er sich wesentlich leichter bewegen. Bei der Luft, die den Schall überträgt, verhält es sich ähnlich – allerdings wird sie im Fall der Harmonizer nicht tatsächlich in Bewegung versetzt, sondern mit Informationen aufgeladen, die einer Bewegung entsprechen. Dadurch kann sie von den Lautsprechern leichter angeregt werden und den Schall in einer bislang ungekannten Qualität zum Hörer transportieren.
Der Text verschweigt nicht, dass es sich dabei um eine noch unbewiesene Arbeitshypothese handelt und die Erklärung durchaus nicht vollständig ist. Wichtiger als die Theorie sei jedoch die Praxis, da allein das Ergebnis zähle. Und das ist in der Tat nicht zu überhören – sofern man etwas Geduld hat. Doch dazu später mehr.
Die Anwendung
Zuerst einmal gilt es, die unzähligen Einzelteile, in die das System bei Lieferung zerlegt ist, zusammenzuschrauben und im Testhörraum zu positionieren. In unserem Fall muss für jeden der vier Harmonizer – jeweils zwei vom Typ H2a und H2b – ein ein Meter hoher Ständer aus Bodenplatte, Ständerprofil und Kopfplatte zusammengeschraubt werden. Die Harmonizer selbst werden per mitgelieferter Knetmasse auf den Kopfplatten fixiert, das Stromkabel kann in der Nut des Ständerprofils nach unten geführt und durch ein spezielles Loch in der Bodenplatte fast unsichtbar verlegt werden. Alternativ ist ein Batteriebetrieb mit jeweils vier AA-Batterien möglich – für alle, die nicht in jeder Raumecke eine freie Steckdose haben und keine meterlangen Verlängerungskabel verlegen wollen, keine schlechte Idee.
Obwohl unser Testhörraum kleiner als 28 m² ist, stellen wir alle vier Harmonizer auf: zwei – einen H2a links und einen H2b rechts – in unmittelbarer Nähe der Lautsprecher, sinnvollerweise daneben oder dahinter (der optimale Bereich ist auf einer beiliegenden Skizze gekennzeichnet). Die beiden anderen Geräte werden auf der gegenüberliegenden Zimmerseite, also neben/hinter dem Hörplatz, positioniert – und zwar genau spiegelverkehrt: links vom Hörer der H2b, auf der rechten Seite der H2a. Die a-Variante arbeitet ungerichtet, kann also beliebig aufgestellt werden. Die b-Variante jedoch muss mit der Vorderseite, in die ein blaues Kontrolllämpchen eingelassen ist, auf eine Stelle zwischen Lautsprechern und Hörplatz ausgerichtet werden. Auf der Rückseite jedes Harmonizers befindet sich ein Kippschalter, mit dem das Gerät eingeschaltet werden kann, und ein Drehknopf zur Regelung der Intensität – Holger Stein empfiehlt als bewährte „Startposition“ eine Einstellung zwischen 10 und 11 Uhr.
Nun gilt es noch, die – in unserem Fall – sechs Magic Stones und drei Magic Diamonds im Raum zu verteilen. Auch über ihre Wirkungsweise bleiben wir im Ungewissen – nur so viel ist (un-)klar: Die Magic Stones verteilen angeblich die Wirkung der Harmonizer gleichmäßiger in den Raum. Vier von ihnen werden in den Ecken des Hörraums auf den Boden gelegt, die beiden anderen in 180 cm Höhe an der Wand mittig zwischen den Lautsprechern und hinter dem Hörplatz befestigt. Die Magic Diamonds sollen eine von den Harmonizern unabhängige Wirkung haben und sind jeweils auf den Lautsprechern und unter der Decke des Hörraums zu positionieren. Für die Befestigung wird Knete empfohlen – doppelseitiges Klebeband tut es aber auch.
Der Höreindruck
Nach so viel Vorarbeit sind die Erwartungen entsprechend groß – und nach den ersten Hörproben auch die Enttäuschung: Zwischen ein- und ausgeschalteten Harmonizern ist kein Unterschied zu hören. Also doch alles nur Humbug mit der Luft, die sich leichter in Bewegung setzen lässt? Noch geben wir nicht auf und bitten Holger Stein persönlich um Rat – und tatsächlich ist der Grund schnell gefunden: Wir haben die Harmonizer nach jedem Musikstück ein- und wieder ausgeschaltet, um einen Vorher-/Nachher-Vergleich ziehen zu können. Doch die Harmonizer brauchen etwa 10 bis 15 Minuten zum „Hochfahren“ und etwa genau so lange, bis ihre Wirkung wieder komplett nachgelassen hat. Der direkte Vergleich ist somit unmöglich (außer man entfernt die Geräte aus dem Raum) – aber auch überflüssig. Denn lässt man die Harmonizer erst einmal laufen, stellt sich der Nachher-Effekt so deutlich ein, dass es keinen direkten Vergleich mehr braucht.
Als Test-CD musste dieses Mal „Believe“ von Cher herhalten. Auch wenn sich trefflich über den künstlerischen Wert dieses Albums streiten lässt – klangtechnisch gehört es im Bereich der populären Popmusik nach wie vor zu den besseren Aufnahmen. Vor allem erschien es uns mit seinen unzähligen Synthesizer-Effekten, die durch den Raum schwirren, klingen und wabern – und natürlich speziell dem durch Auto-Tune verursachten „Cher-Effekt“ -, ideal, um das Harmonizer System auf die Probe zu stellen. Als Teststück musste besonders Track 8 („Taxi Taxi“) herhalten – mit seinem treibenden Beat, Chers glasklarer Stimme in den Strophen, der verfremdeten Refrainstimme und dem Hin und Her zwischen links und rechts positionierter Stimme in der letzten Minute sowie zahlreich eingestreuten Effekten.
Was uns dieser Song in Kombination mit dem Harmonizer System an Musikgenuss bescherte, ist kaum in Worte zu fassen. Wir versuchen es trotzdem – mit einem Vergleich: Kennen Sie die Buchserie „Das Magische Auge“? Diese wirr gemusterten Bilder, aus denen bei längerem Hinsehen (und gekonntem Schielen) plötzlich 3D-Objekte herausragen? Nun, genau das passierte auch im Hörraum. Instrumente, Klangeffekte und natürlich auch die Sängerin selbst gewannen plötzlich in einem Ausmaß an Raum und Kontur, das schier umwerfend war. Gleichzeitig wurden bislang ungehörte Feinheiten gestochen scharf im Raum platziert.
Das alleine wäre schon jede lobende Erwähnung wert. Es kommt jedoch noch besser. Denn was mit der Musik als Ganzes – jenseits aller zusätzlichen Rauminformationen und ungehörten Details – geschieht, ist die eigentliche Offenbarung: Sie wird schlichtweg harmonischer. Und zwar auf eine Art und Weise, die so selbstverständlich ist, dass wir sie zunächst als völlig normal hingenommen haben. Erst als die Anlage zum Vergleich wieder ohne Harmonizer aufspielte, wurde deren tatsächliche Wirkung deutlich. So deutlich, dass wir alle vier Kästen sofort wieder eingeschaltet und den Tag ihrer Rückgabe verdammt haben.
Der Harmonisierungseffekt beschränkte sich im Übrigen keineswegs nur auf die Werke von Cher. Auch Aufnahmen mit klassischen Instrumenten, die ohne Tricks am Aufnahmemischpult auskommen, profitierten ebenfalls deutlich in der Bühnendarstellung.
Dieser Effekt lässt sich übrigens wunderbar feststellen, wenn man Anlage und Harmonizer gleichzeitig einschaltet, die ersten zwei, drei Songs ohne deren Wirkung hört (Aufwärmphase) – und plötzlich alles so zu klingen beginnt, wie man es sich immer gewünscht hat: vollkommen echt, vollkommen „live“, vollkommen harmonisch. Aber nur, solange der Intensitätsregler auf maximal 10 Uhr steht. Höher gedreht wird die Musik plötzlich hallig und künstlich – und mit der Harmonie ist es vorbei.
In unserem Testraum reichten übrigens zwei Harmonizer aus (H2a und H2b), um den Harmonie- Effekt zu erzielen – selbst die Magic Stones und Diamonds waren nicht nötig. Die Wirkung lässt sich mit vier Harmonizern und Stones/Diamonds zwar noch weiter perfektionieren. Aber zum Starten reichen zwei der kleinen schwarzen Kästen völlig aus – der einzige Lichtblick angesichts des stolzen Preises von 648 Euro pro Harmonizer, 38 Euro für jeden einzelnen Magic Stone und 128 Euro je Magic Diamond. Doch was sollen wir sagen: Aus unserer Sicht ist das System jeden Cent wert.
Das Fazit
Was Steinmusic hier anbietet, übertrifft – zumindest in unserem Hörraum – alle bislang von uns gehörten Unterschiede zwischen den Geräten. Die Musik wird auf eine Weise verändert, die so grundlegend und zugleich natürlich ist, dass man sich fragt, wie man es ohne Harmonizer überhaupt ausgehalten hat. Wer das Geld erübrigen kann, sollte es investieren – 15 Tage Rückgaberecht dürften ausreichen, um die Wirkungsweise im eigenen Hörraum zu testen und jeden Zweifel zu beseitigen. Es mag hoch gegriffen klingen, aber mit seinen Harmonizern und Stones hat Steinmusic die Steine der Weisen gefunden. Bleibt nur noch die Frage, wie das Ganze überhaupt funktioniert…